Santa Cocktail Club
Wenn Johannes Calvin in Florenz aufgewachsen wäre, dann hätten die Reformatoren eine wichtige Säule an die Völlerei verloren. Es ist schon auch viel leichter, Versuchungen zu widerstehen, die erst drei Tagesritte entfernt lauern. Anders in Florenz. Versuchung auf Schritt und Tritt. Entsprechend scheint auch die Religion eine lebensbejahendere Form angenommen zu haben, verkörpert durch die strahlende Baulichkeit des Domes zu Florenz, der so ganz anders zum Beten einlädt als die Schwarzgräulichkeit deutscher Münster. Wem allerdings der Dom zu überlaufen ist, der kann sich auch an der Kirche Santa Maria Novella erfreuen, die außerordentlich hübsch anzusehen ist, am Besten von außen, und idealerweise, wenn man vor dem Santa Cocktail Club mit einem Getränk sitzt, das beim Betrachten unterstützt. Das Projekt wurde vor der Coronapandemie gegründet und darf mittlerweile florieren und expandieren, und mit Simone Covan hat man sich eine wahre Ducati ans Brett geholt. Es bietet sich an, mit einem „Dr. Punch“ (Rum, Cognac, Arrack) eingehend die wichtigen Fragen des Lebens zu kontemplieren. Wer sind wir, woher kommen wir, warum sitzen wir erst jetzt hier? Jeder Mensch braucht ab und an eine Piazza, an der er sitzen kann, um den Zuhausegebliebenen mitteilen zu können, dass er gerade an einer Piazza sitzt, und für diesen Zweck ist diese Piazza der besten eine. Wen es dann doch nach drinnen verschlägt, der wird natürlich auch nicht enttäuscht, und man darf sich in verschiedenen Räumen austoben, die mit dem Begriff „Salon“ vielleicht besser umschrieben sind. Bitte auch das Essen nicht ignorieren. Alles exzellent, aber eine wahrhafte Fushion-Schweinerei ist das „Schnitzel Carbonara“: panierte Fleischhäppchen, dazu zwei Schüsselchen mit Sojasauce und Carbonara. Mag der Purist zetern, aber hat man einmal davon gekostet, entsteht beim Gedanken daran Fernweh.